THE GOOD, THE BAD, THE UGLY?

THE GOOD, THE BAD, THE UGLY?

EXKLUSIV AUSGEWÄHLT VON BJÖRN BAYARD
(Veröffentlicht in THE GAZETTE Ausgabe 01 im November 2022)

TGOA x GS1
ONE GLOBAL SYSTEM OF STANDARDS

Defining common rules for global data exchange.

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In diesem Bereich werden aktuelle Themen des globalen Industrie- und Handelsgeflechts von Björn Bayard, Mitglied des Boards of Directors der GS1 GDSN, handverlesen und von unseren Journalisten zu Papier gebracht.

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ich freue mich, Ihnen Themen aus dem Bereich „Brands & Retail“ präsentieren zu dürfen. Ich hoffe, dass ich ein paar spannende Themen und News ausgewählt habe, und freue mich natürlich über jede Form von Feedback.

Unser Dauerbrenner-Thema ist weiterhin das Management von Produkt-Content. Wobei wir in den letzten Monaten eine deutliche Verschiebung des Fokus beobachtet haben. War in der Vergangenheit die Einführung eines PIM-Systems im Fokus, ist dieser mittlerweile in Richtung Verteilung des Produkt-Contents gewandert. Damit sind Schlagworte wie „Content Syndication“ und „Enhanced Content“ in das Blickfeld gerückt – aber auch die Frage, warum eigentlich so häufig Excel zum Austausch von Produktdaten genutzt wird. Alle drei Themen wollen wir Ihnen im Weiteren etwas näherbringen.

Habe ich da gerade ganz leise die Frage gehört, warum Produktdatenverteilung nicht einfach Teil eines jeden PIM-Projektes ist? Absolut berechtigte Frage! Tatsächlich verspricht das jeder PIM-Hersteller, aber kaum einer liefert da vernünftig ab. Nicht umsonst hat Syndigo (eine Content Syndication-Plattform) einen der drei großen Enterprise PIM-Hersteller (Riversand) übernommen, und auch Productsup hat einen PIM-Hersteller übernommen.

Content Syndication ist offensichtlich aktuell das große Thema. Und da kommt dann ebenfalls GS1 ins Spiel. GS1 standardisiert Prozesse zwischen Industrie und Handel und hat mit dem GDSN das weltweit größte Netzwerk zum Austausch von Produktinformationen zwischen Industrie und Handel etabliert. Seit Dezember 2021 bin ich Teil des Board of Directors des GS1 GDSN. 

Und jetzt wünsche ich Ihnen viel Spaß und hoffentlich ein paar interessante Einblicke bei der weiteren Lektüre.

Ihr 

Björn Bayard

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VON GABRIEL CHASSEUR

The Good, the Bad, the Ugly?

Das Global Data Synchronisation Network GS1 GDSN ist ein globales Netzwerk zum Austausch von Produktinformationen. Dieser Artikel räumt mit den gängigen Mythen auf, die sich bis heute hartnäckig um das Thema GDSN ranken.

Das GDSN hat mit vielen Vorurteilen zu kämpfen, und doch ist es das weltweite größte und erfolgreichste Netzwerk zum Austausch von Produktinformationen zwischen Industrie und Handel beziehungsweise zwischen Industrie und Krankenhäusern mit stetig wachsenden Nutzer- und Artikelzahlen.

Im Markt kursieren einige Vorbehalte gegenüber dem GDSN. Vielen ist das Konstrukt zu komplex oder zu teuer – manchen kommt es gar antiquiert vor. Viele Marktteilnehmer sind sogar der Meinung, dass die Datenqualität im GDSN schlecht und das Netzwerk für die Anforderungen im E-Commerce untauglich ist. Und wieder andere haben noch nie etwas von GDSN gehört. Tatsächlich liegt ein Fünkchen Wahrheit in dem einen oder anderen Vorurteil – aber nur aufgrund einer falschen Erwartungshaltung. Richtig eingesetzt, trägt das GDSN einen wesentlichen Teil zur Lösung der Herausforderung im Content Syndication bei.

Das GS1 GDSN (so die offizielle Bezeichnung – im Folgenden wird die Kurzform GDSN genutzt) ist das weltweit größte Netzwerk zum Austausch von Produktinformationen. Über 39 Millionen Artikel sind im GDSN verfügbar, und es gibt weltweit mehr als 67.800 Teilnehmer (überwiegend Hersteller, Händler, Krankenhäuser, Einkaufsgemeinschaften). Das GDSN wächst jährlich sowohl in Bezug auf die Anzahl der Artikel als auch bezüglich der Teilnehmeranzahlen um mehr als 10 Prozent.

Die Vision des GDSN ist, dass das ERP oder PIM eines Herstellers, genauso wie das ERP oder PIM eines Händlers, direkt per Schnittstelle an einen GDSN-Datenpool angeschlossen ist und damit Produktinformationen vom Hersteller-ERP/PIM direkt in das Händler-ERP/PIM synchronisiert werden können. Die Vorteile: kein manueller Aufwand, beste Datenqualität, da die Informationen direkt vom Hersteller kommen, und eine umgehende Datenverfügbarkeit im Handel. Auch die Anzahl der Datenpools, die zusammen das Netzwerk bilden, wächst kontinuierlich. Weltweit gibt es mittlerweile 49 GDSN-Datenpools, und selbst im DACH-Raum, wo lange Zeit der Datenpool der GS1 Germany Atrify der einzige Datenpool war, gibt es mit prootec und b-synced kommerzielle Alternativen. Und in der Schweiz ist die GS1 Switzerland gerade gestartet, um einen Schweizer GDSN Datenpool zu etablieren.

So weit, so erfolgreich – aber was ist denn nun dran an den Vorurteilen? Zunächst einmal ist das GDSN heute nur im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) (mit angrenzenden NonFood-Sortimenten) und – mit Einschränkungen – dem Gesundheitswesen etabliert. Andere Branchen (wie zum Beispiel die Baumarktbranche) können das GDSN natürlich auch nutzen, nur muss hier zuerst das Henne-Ei-Problem gelöst werden. Für keine der beiden Seiten ist die Teilnahme attraktiv, solange die andere noch nicht im Netzwerk aktiv ist und Produktdaten anfragt beziehungsweise bereitstellt. Das ist das übliche Problem von Datenpools – es muss auf Hersteller- und Handelsseite gleichzeitig möglichst schnell eine kritische Masse generiert werden, sodass für beide Seiten ein spürbarer Nutzen entsteht. Hier sind die lokalen GS1-Organisationen gefragt, die Communities entsprechend zu organisieren und zu koordinieren.

Auch wenn die LEH-Branche heute sehr stark auf das GDSN angewiesen ist, ist auch hier das GDSN nicht die 100-Prozent-Lösung – weder für den Handel und häufig auch nicht für die Hersteller. Für den Handel fehlen in der Regel die Daten für die Eigenmarken. Hier ist der Nutzen für die Hersteller der Eigenmarken geringer, diese per GDSN zur Verfügung zu stellen, da die Daten ja nur für genau einen Händler bereitgestellt werden und nicht für viele. Dazu kommt die (irrationale) Angst aufseiten des Handels, dass die Artikeldaten für Eigenmarken versehentlich bei der Konkurrenz landen.

Natürlich können über das GDSN auch die Produktinhalte für Eigenmarkenartikel synchronisiert werden, ohne dass die Daten bei der Konkurrenz landen. Sinnvoll ist dieser Austausch allemal, da relevante Produktinhalte auf Knopfdruck durch das GDSN synchronisiert werden können. Die Voraussetzung: die Schaffung der richtigen Infrastruktur – und da sind sowohl Industrie als auch Handel noch nicht angekommen. Ein weiteres Problem der mangelnden IT-Infrastruktur auf Industrie- und Handelsseite ist das Thema Datenqualität. Zunächst einmal herrschen häufig Kommunikationsschwierigkeiten, wenn es um das Thema Datenqualität geht. Redet man mit einem Logistiker für die Tourenplanung, ist dieser meist begeistert von der Datenqualität aus dem GDSN, denn hier gibt es zahlreiche Validierungsregeln, die die Konsistenz innerhalb der Verpackungshierarchie sicherstellen. Redet man hingegen mit dem Betreiber eines vollautomatisierten Warehouses, sind die GDSN-Daten unbrauchbar, da die Hersteller häufig die Abmessungen aus der Produktentwicklung nutzen und diese dann von den tatsächlichen Abmessungen abweichen.

Noch gravierender werden die Missverständnisse, wenn man sich dann mit E-Commerce-Verantwortlichen unterhält. Hier wird Datenqualität oftmals mit der Vollständigkeit der Daten für den Onlineshop gleichgesetzt. Was Vollständigkeit in diesem Fall jedoch genau bedeutet, bleibt unklar: das vollständige Produktsortiment? Oder alle notwendigen Attribute? Oder alle Bilder? Die Datenqualität liegt also im Auge des Betrachters. Sie ist abhängig von den Ansprüchen, die in den jeweiligen Geschäftsprozessen gestellt werden. Und diese Anforderungen an die Datenqualität sollen für beispielsweise Lidl, Metro, Edeka und REWE gleich sein? Tatsächlich versuchen lokale GS1-Organisationen hier die Anforderungen an die Datenqualität zu vereinheitlichen und durch eigene Programme sicherzustellen (GS1 Germany nutzt beispielsweise DQX und GS1 Sweden Validoo). Leider produzieren sie hier direkt das nächste Problem für europäisch oder gar weltweit agierende Handelsunternehmen. Denn nun ist die Datenqualität für die verschiedenen Länder sehr unterschiedlich, was für den Handel problematisch ist. Und auch für die Hersteller wird es mit den unterschiedlichen Länderprogrammen nicht einfacher – schließlich muss jedes individuell bedient werden.

Das bringt uns wieder auf die IT-Infrastruktur zurück. Händler können sich auf die Datenqualität aus dem GDSN nicht verlassen, sondern müssen prüfen, welche Qualitätskriterien das GDSN sicherstellt und welche nicht. Und was nicht bereits sichergestellt wurde, muss der Handel selbst prüfen. Glücklicherweise stellt das GDSN Mechanismen zur Verfügung, mit denen Fehler und Datenqualitätsprobleme automatisiert an die Hersteller zurückgemeldet werden können. Hersteller müssen umgekehrt die Qualitätsanforderungen ihrer Handelskunden verstehen. Und diese müssen sie in ihrem eigenen ERP- oder PIM-System implementieren, so dass sie selbst dazu in der Lage sind, die Qualität ihrer Produktinhalte sicherzustellen. Hersteller müssen hier einen eigenen Qualitätsmanagementprozess etablieren und leben.

Im Grunde ist die Produktdatenqualität absolut vergleichbar mit der eigentlichen Produktqualität. Der Hersteller produziert seine Produkte und unterzieht diese einer kontinuierlichen Qualitätskontrolle und berücksichtigt hier auch den Qualitätsmaßstab des Handels. Der Handel wiederum empfängt die Produkte, unterzieht diese einer stichprobenartigen Qualitätskontrolle, und wenn diese Probleme zeigt, geht er in die Abstimmung mit dem Hersteller. Genauso sollte es auch in der Welt der Produktdaten funktionieren. Das GDSN ist in diesem Bild lediglich die Straße, auf der die Trucks die Produkte transportieren. Korrekte Produktinhalte werden in den IT-Systemen der Hersteller produziert, und der Handel prüft, ob die Daten „fit for purpose“ sind, um sie dann der eigentlichen Verwendung zuzuführen.

GS1 ist es damit gelungen, einen weltweiten Standard, in dem Produktinhalte ausgetauscht werden, und ein funktionierendes, offenes Netzwerk aus Datenpools, über das eine riesige Community Produktinformationen austauscht, zu etablieren. Was man nur nicht erwarten darf, ist, dass GDSN alle Probleme des Product Content Managements löst – es löst nur den standardisierten Transport. Die Verantwortung für das Product Content Managements liegt weiterhin bei Industrie und Handel.

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Über GS1:

GS1 ist eine unabhängige, gemeinnützige Organisation, die globale Standards für eine effiziente Geschäftskommunikation bereitstellt. Am bekanntesten ist die GS1 für den Barcode, der 2016 von der BBC als eines der „50 Dinge, die die Weltwirtschaft verändert haben“ bezeichnet wurde. GS1 Standards verbessern die Effizienz, Sicherheit und Sichtbarkeit von Lieferketten über physische und digitale Kanäle hinweg in 25 Branchen. GS1 ermöglicht Organisationen aller Arten und Größen, Informationen nahtlos zu identifizieren, zu erfassen und auszutauschen. Die Größe und die Reichweite der lokalen Mitgliedsorganisationen der GS1 in 116 Ländern, mehr als zwei Millionen Anwenderunternehmen und 6 Milliarden Transaktionen pro Tag tragen dazu bei, dass GS1 Standards eine gemeinsame Sprache schaffen, die Systeme und Prozesse auf der ganzen Welt unterstützt.

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Picture credit © Anna Tarazevich on Unsplash


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