GEHEIMNISSE EINES LANGEN LEBENS

GEHEIMNISSE EINES LANGEN LEBENS

VON OLIVER PÉREZ
(Veröffentlicht in THE GAZETTE Ausgabe 01 im November 2022)

Schon immer suchten die Menschen nach Wegen, um den Alterungsprozess aufzuhalten. Ewige Jugend als der Heilige Gral für Generationen – doch welche Ansätze versprechen tatsächlich ein längeres und gesünderes Leben?

Es gibt Gebiete auf der Welt, in denen Menschen deutlich älter werden als anderswo. Dort häuft sich sogar die Anzahl der Menschen, die das biblische Alter von 100 und älter erreichen. Die Unterschiede sind so gravierend, dass diese Gebiete und die Bevölkerung, die dort lebt, gut erforscht sind – und sie alle haben ein paar Dinge gemein. Einer der Entdecker dieser Gebiete, die auch Blaue Zonen genannt werden, ist Dan Buettner, Entdecker, Autor, Produzent, Public Speaker, TED-Talker und Gründer von Blue Zones, LLC. In seiner Cover Story für die November 2005-Ausgabe des National Geographic Magazins „Secrets of Long Life“ berichtete er über seine Ergebnisse und veröffentlichte im Jahr 2010 die Erkenntnisse in seinem von National Geographic herausgegebenen Buch „The Blue Zones“. Laut Buettner werden gerade einmal zehn Prozent unserer Lebenserwartung durch unsere Gene bestimmt – der Rest wird beeinflusst von unserem Lebensstil. Aber anstatt uns auf Diäten, Nahrungsergänzungsmittel und Trainingsprogramme zu stürzen, sollten wir uns lieber abschauen, was Kulturen anders machen, deren Lebenserwartung signifikant höher ist als unsere. Buettner und sein Team haben interkulturelle Gemeinsamkeiten in den Blauen Zonen erforscht, zu Papier gebracht und uns somit eine Art Leitfaden für ein längeres und besseres Leben an die Hand gegeben.

Die durchschnittliche maximale Lebenserwartung liegt bei etwa 90 Jahren – bei Frauen ist sie etwas höher als bei Männern. Die durchschnittliche Lebenserwartung in den USA liegt aber bei gerade einmal 78 Jahren. Die Menschen werden im Mittel nicht so alt wie die Bevölkerung in den Blauen Zonen, und auch die Sterbehäufigkeit im mittleren Alter ist aufgrund von chronischen Krankheiten wie Herzerkrankungen, Krebs oder Alzheimer höher. 

Laut Buettner liegt eine Blaue Zone im bergigen Teil von Sardinien, in der Provinz Nuoro. Hier leben die Menschen weltweit am längsten, und es gibt etwa zehnmal so viele Hundertjährige wie in den USA. Die Menschen dort werden nicht nur sehr viel älter – sie sind im Alter auch viel vitaler, sie arbeiten noch, betätigen sich körperlich und bewegen sich viel. Sie ernähren sich vor allem von Schafskäse, ungesäuertem Brot und pflanzenbasierter Nahrung – und auch der tägliche Schluck Wein darf bei den Sarden nicht fehlen. Das wahre Geheimnis aber liegt laut Buettner darin, wie sie ihr Zusammenleben in der Gemeinschaft organisieren. Ältere Menschen haben dort einen sehr hohen Stellenwert – sie werden geachtet für ihre Weisheit und Lebenserfahrung. Tatsächlich leben die Alten dort nicht nur viel länger – auch die Kinder der Familien weisen niedrigere Sterblichkeits- und Krankheitsraten auf.

Die zweite Blaue Zone liegt in Okinawa. Das Gebiet in Japan besteht aus 161 kleinen Inseln, und die Menschen, um die es geht, bewohnen den nördlichen Teil der Hauptinsel. Dort leben nämlich die Frauen mit der weltweit höchsten Lebenserwartung. Die Menschen werden nicht nur überdurchschnittlich alt – sie haben auch sehr niedrige Invaliditätsraten. Die Menschen in Okinawa werden gut sieben Jahre älter als der durchschnittliche US-Amerikaner, und es gibt rund fünfmal mehr Hundertjährige. Die Menschen ernähren sich auch hier hauptsächlich pflanzenbasiert – viel buntes Gemüse und Tofu stehen auf dem Speiseplan. Ein großer Unterschied ist aber auch die Art und Weise, wie die Menschen dort ihr Essen zu sich nehmen: Sie haben viele kleine Strategien, um zu vermeiden, zu viel zu essen. So nutzen sie kleinere Teller und richten sie in der Küche an, anstatt das ganze Essen auf den Tisch zu stellen. Auch halten sie sich an die Regel, aufzuhören, wenn ihr Magen zu 80 Prozent gefüllt ist, da sich das Sättigungsgefühl erst nach etwa 30 Minuten einstellt. Und auch hier gibt es einige soziale Strukturen, die mit hoher Lebenserwartung in Verbindung gebracht werden. Jeder Mensch in Okinawa hat etwa ein halbes Dutzend sehr enger Freunde – und das über das gesamte Leben. Sie teilen die Freude und Glücksmomente im Leben miteinander und stützen sich gegenseitig in den schweren Momenten. Buettner beschreibt noch einen weiteren Unterschied: Während sich das Leben in den USA in die zwei Phasen Arbeitsleben und Ruhestand aufteilt, kennen die Menschen in Okinawa nicht einmal das Wort Ruhestand. Bei ihnen gibt es dafür das Wort „ikigai“, was so viel bedeutet wie „der Grund, für den man morgens aufwacht“. Das Interessante: In einer Studie wurden die Menschen nach ihrem ikigai gefragt – und alle wussten sofort eine Antwort darauf.

Schließlich wurde Buettner von seinem Herausgeber gebeten, eine Blaue Zone in den USA zu finden. Tatsächlich stießen sie auf eine Adventisten-Gemeinschaft in Loma Linda in Kalifornien, deren Mitglieder einen deutlichen Unterschied in ihren Lebenserwartungen im Vergleich zum Rest der Vereinigten Staaten aufwiesen. Im Durchschnitt lebt eine US-amerikanische Frau etwa 80 Jahre; bei den Adventisten sind es 89. Bei Männern ist der Unterschied noch gravierender: Der Landesdurchschnitt liegt bei 76 Jahren, während er bei den Adventisten 87 beträgt. Die Menschen dort ernähren sich strikt nach der Bibel und beschränken sich in erster Linie auf Samen, Hülsenfrüchte und Pflanzen. Und sie nehmen vor allem ein Ritual sehr ernst: Egal, wie viel die Menschen in der Gemeinschaft zu tun haben, und egal, wie gestresst sie sein mögen – für 24 Stunden jede Woche lassen sie alles stehen und liegen und widmen sich ausschließlich dem Gebet, ihrer Gemeinschaft und der Natur. Jede Woche, ein Leben lang. Und auch im hohen Alter gehen die Menschen dort ihren Hobbys nach, arbeiten und unterstützen wohltätige Organisationen.

Dementsprechend verbindet diese drei Kulturen, dass die Menschen zwar nicht aktiv Sport treiben, ihr Leben aber doch so organisieren, dass sie sich körperlich aktiv betätigen. So sitzen die Frauen in Okinawa ausschließlich auf dem Boden und müssen daher 30- bis 40-mal am Tag aufstehen. Die Sarden wiederum leben in sehr hohen Häusern, müssen täglich sehr viele Treppen steigen und arbeiten häufig im eigenen Garten. Der zweite Punkt ist, dass sich die Menschen Zeit nehmen, um abzuschalten. Stress führt zu Entzündungsreaktionen im Körper, die langfristig viele verschiedene Krankheiten wie Alzheimer oder Herzerkrankungen begünstigen können. Wenn wir auch nur 15 Minuten am Tag abschalten, wird dieser Entzündungsstatus umgekehrt.

Bei der Ernährung gibt es keine fixe Formel – die Menschen in den Blauen Zonen essen nicht zu viel, ernähren sich in erster Linie pflanzenbasiert und trinken täglich auch ein wenig, meist Wein. Das Wichtigste ist aber das Sozialleben: Die Familie kommt immer zuerst, die Menschen kümmern sich um ihre Eltern und um ihre Kinder, und sie umgeben sich mit Menschen, die ihnen guttun, die ebenfalls richtig essen, Hobbys haben und bis ins hohe Alter aktiv sind. Das Team um Buettner hat noch weitere Expeditionen und Untersuchungen gemacht – diese gemeinsamen Nenner aber blieben unverändert.

Es gibt eine ganze Reihe von ähnlichen Beobachtungen wie die von Buettner und seinen Kollegen. In einer anderen Gegend in Italien, im Cilento, südlich der Amalfi-Küste, leben ebenfalls überdurchschnittlich viele Hundertjährige. Auch hier leben die Menschen recht einfach – es gibt keine großen Supermärkte, die Menschen ernähren sich in erster Linie von den Feldern ringsum, gehen auf den Markt und nehmen vor allem Fisch, Gemüse, heimisches Olivenöl und natürlich Wein zu sich. Und auch hier sticht die Gemeinschaft und die Einstellung der Bevölkerung hervor: Die Menschen arbeiten noch bis ins hohe Alter, treffen sich abends auf der Piazza, spielen Karten, verbringen Zeit miteinander. Und sie tun das in Ruhe – ganz ohne Stress.

Buettner spricht sich klar gegen Nahrungsergänzungsmittel aus. Er sagt, dass bei jedem Erneuerungsprozess in den Zellen Schäden entstehen, die sich im Laufe der Zeit potenzieren – der Grund, warum wir altern. Während er die Meinung vertritt, dass keine Pille der Welt dieses Programm ändern kann, forscht David Sinclair genau daran: Er sucht nach Wegen, wie dieser Alterungsprozess aufgehalten und sogar umgekehrt werden kann. Während er zwar ebenfalls darauf setzt, weniger und vor allem pflanzlich zu essen, viel zu schlafen und in einem gesunden sozialen Gefüge zu leben, ergänzt er sein Rezept für eine hohe Lebenserwartung um Nahrungsergänzungsmittel mit NAD-Boostern – Molekülen, die einen Anti-Aging-Effekt haben und sich positiv auf die Lebenserwartung auswirken sollen.

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Über Prof. Dr. David A. Sinclair:

Sinclair ist Professor am Lehrstuhl für Genetik an der Harvard Medical School und ist Mitgründer des Paul F. Glenn Center for the Biology of Aging. In seinem Buch „Lifespan: Why We Age – and Why We Don’t Have To“ erklärt er die genauen Mechanismen des Alterns und beschreibt Methoden, mit denen der Alterungsprozess theoretisch umgekehrt werden kann.

Über Dan Buettner:

Dan Buettner ist Bestseller-Autor, Produzent und Public Speaker und hat das Konzept der sogenannten Blauen Zonen mitbegründet. In seinem von National Geographic herausgegebenen Buch „The Blue Zones“ teilt er seine Erkenntnisse aus der Erforschung von Kulturen und Gemeinschaften mit überdurchschnittlichen Lebenserwartungen.

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Picture credit © Paolo Bendandi on Unsplash

 


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